Unterricht hautnah – Schüler erleben Mordprozess am Landgericht Erfurt
Die Vorstellung mit einer Person in einem Raum zu sein, die vermutlich die Schuld am Tod eines anderen Menschen trägt, wirkt für die Meisten unvorstellbar. Diese Vorstellung wurde für die Schüler der damals 10. Klasse Wirklichkeit. Doch nicht nur eine dieser beschriebenen Personen war im gleichen Raum wie die Schüler, sondern gleich vier. Bei diesem Erlebnis handelt es sich um eine sehr aufregende Exkursion im Rahmen des Wirtschaft und Recht Unterrichtes zum Ende des letzten Schuljahres. Die Schüler durften gemeinsam mit Frau Neumann am 22.06.2015 und 25.06.2015 Zeugen einer Gerichtsverhandlung werden. Dieser Fall war zusätzlich ein sehr spezieller Fall, da die Tat bereits 1994 vollzogen wurde. Nun lautet die Anklage Mord. Die vier Männer, heute 40, 42, 43 und 47 Jahre alt, sollen mit zwei weiteren Komplizen, welche bereits verstorben sind, den damals 20-jährigen Mario ermordet haben wollen. Dafür setzten die Täter ihn nachweislich unter Drogen, fuhren mit ihm gemeinsam nach Tschechien. In einem Waldstück in der Nähe von Karlovy Mary schlugen sie mit Steinen mehrmals auf ihn ein, übergossen ihn mit Benzin und zündeten ihn an. Anschließend fuhren die Täter zurück und lebten beinah 20 Jahre ein normales Leben.
Mario wurde am darauffolgenden Tag von der tschechischen Polizei gefunden. Alle Ermittlungen wurden allerdings später aufgrund fehlender Beweise und mangelhafter Ermittlungsgrundlage eingestellt. Erst 2014, nachdem bereits 20 Jahren vergangen waren, wurden die vermeintlichen Täter, welche teilweise schon durch Vorstrafen bekannt sind, wegen gemeinschaftlichen Mordes festgenommen und es wurde Anklage erhoben. Die Tat soll wohl zur Verdeckung einer anderen Straftat vollzogen worden sein. Des Weiteren ist der Fall so interessant, da alle Straftaten nach 20 Jahren verjähren, mit der Ausnahme von Mord. Das heißt, wenn nicht eindeutig nachgewiesen werden kann, dass die Täter den Mord begingen, dann kommen die Angeklagten einerseits straffrei davon, andererseits erhalten sie noch zusätzlich eine Entschädigung für die unrechtmäßige Zeit in der Untersuchungshaft. Für viele Menschen kaum vorstellbar, aber trotzdem wahr. Auch die Schüler konnten diese Regelung nicht verstehen.
Am Morgen des 22.06.2015 trafen sich die Schüler der damaligen 10a und 10c mit Frau Neumann vor dem Landgericht Erfurt. Nach Betreten des Landgerichtes wurden alle Schüler wie bei einer normalen Sicherheitskontrolle kontrolliert. Anschließend durften alle in den Saal. Kurz darauf kamen die Angeklagten in den Raum. Die meisten verdeckten ihre Gesichter mit Kapuzen, wurden mit Hand- und Fußfesseln hereingeführt und von einem bewaffneten Polizisten begleitet. Jeder Angeklagte hatte zwei Strafverteidiger. Als der Richter den Raum betrat standen alle auf, was für die Schüler, die so etwas noch nie erlebt haben ungewöhnlich war. Danach wurden zwei Zeugen nacheinander befragt, wovon einer ein Schlüsselzeuge im Fall war. Dies war sehr interessant zu erleben für alle Zuschauer. Anschließend gingen wir mit diesen Eindrücken im Kopf nach Hause.
Am 25. 06. 2015 trafen sich dann die 10b und 10d mit Frau Neumann und durchlebten Ähnliches. Sie aber sahen ein Vermisstenvideo, in welchem die Mutter des Geschädigten 1995 im Fernsehen aufrief das sich ihr Sohn melden sollte. Auch die Mutter hat bis zur Festnahme der vier Angeklagten im Herbst 2014 keine Kenntnis davon, dass ihr Sohn bereits 20 Jahre tot war.
Im Laufe der weiteren 44 Verhandlungstage versorgten die Medien und Frau Neumann die Schüler immer mit neuen Informationen. Beispielsweise wurde ein sehr grausames und erschreckendes Video, welches 1994 von Polizisten bei der erstmaligen Untersuchung des Tatorts gemacht wurde, gezeigt.
Am 02.06.2016, über 1 Jahr nachdem die Hauptverhandlung begonnen hatte, folgte schließlich die Urteilsverkündung. Hierbei wurden drei der vier Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Mordes zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt.
Autoren: Erik Schwarz (17/3) und Kira Sprenger (17/3)