Das Herz Europas

by admin
Das Herz Europas

– ein Bericht über die Kursfahrt nach Luxemburg

Nach einer achtstündigen Busfahrt, bei der die ersten Snacks schon lange verputzt waren, rollten wir in Luxemburg ein. Direkt beim ersten Blick aus dem Fenster fiel uns auf: Hier gibt’s nicht nur Kopfsteinpflaster, sondern auch Kopfsteinpreise. Prada, Chanel und Cartier reihten sich wie auf einer Modeshow aneinander und man hatte fast Angst, dass selbst die Schaufensterpreise schon Gebühren kosten könnte. Doch bevor wir die Kreditkarten zückten, ging es auf eine Stadtführung, die weniger materiell, sondern eher spirituell war: wir besuchten die beeindruckende Kathedrale Notre-Dame. Diese gotische Schönheit wurde im 17. Jahrhundert erbaut und ist ein Zeugnis der langen katholischen Tradition in Luxemburg. Ihr Name „Notre-Dame“ bedeutet auf Latein „Nostra Domina“, was „Unsere Frau“ heißt – ein direkter Hinweis auf die Schutzpatronin, die „Trösterin der Betrübten“. Die enge Verbindung zwischen Kirche und lateinischer Tradition wird hier besonders deutlich, da auch viele religiöse Zeremonien jahrhundertelang auf Latein stattfanden.

Am zweiten Tag führte uns der Weg zum Europäischen Gerichtshof. Auf eine Lehrstunde in europäischer Rechtsprechung freuten wir uns sehr – weniger jedoch begeisterte, dass sie zunächst auf Französisch gehalten wurde. Denn nach ein paar Minuten wurde klar: Auch das beste Schulfranzösisch reicht hier nicht aus. Nachdem unsere Referenten realisierten, dass unsere Sprachkenntnisse mehr auf „Bonjour“ und „Merci“ beschränkt waren, wechselten sie gnädigerweise auf Deutsch– ein Moment, in dem uns klar wurde, wie wichtig die Mehrsprachigkeit in Luxemburg ist.

Sprachen sind hier kein Beiwerk, sie sind das Fundament des täglichen Lebens. Luxemburg ist ein Land, das seine Mehrsprachigkeit aus der Geschichte heraus entwickelt hat. Luxemburgisch, Deutsch und Französisch sind die drei offiziellen Sprachen. Luxemburgisch selbst ist eine westgermanische Sprache, die auch stark lateinische Ursprünge aufweist. Dies zeigt, wie tief Latein als Ursprache in den modernen europäischen Sprachen verwurzelt ist.

Tag 3 war unser freier Tag und der stand ganz im Zeichen der Selbstentdeckung – und der Budgetplanung. Ich hatte gehofft, dass meine 120 Euro mich entspannt über die Tage bringen würden, doch nach ein paar Blicken in die Speisekarten der Restaurants wurde klar: „Gönn dir lieber nicht zu viel.“ Also landeten wir öfter als geplant bei McDonald’s. Das war nicht unbedingt schlimm, denn mit den rund 30.000 Schritten, die man in dieser Stadt pro Tag macht  (Luxemburg ist gefühlt ein einziger steiler Hügel), war das Fast-Food auch schnell wieder abtrainiert. Wir erkundeten das Naturhistorische Museum, das in einem Teil der Altstadt liegt, der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Die Ausstellung war faszinierend und bot neben ausgestopften Tieren und geologischen Fundstücken auch einen tiefen Einblick in die Geschichte der Region, und auch hier fanden sich wieder lateinische Wurzeln. Viele der wissenschaftlichen Begriffe, die wir hörten, stammten direkt aus dem Lateinischen, da es unter anderem die Basis der Biologie, Geologie oder der Archäologie ist.

Außerdem konnten wir die Wachablösung des Großherzogs (lat. dux) live mitverfolgen. Die feierliche Zeremonie vor dem Palast ähnelte einer Szene aus einem Märchen und wir konnten kaum glauben, dass Luxemburg nicht nur ein modernes Finanzzentrum, sondern auch ein Monarchie-Denkmal europäischer Geschichte ist. Denn der jetzige magnus dux entspringt einer deutschen Adelsfamilie.

Der vierte Tag führte uns in die beeindruckenden Petruss-Kasematten. Diese unterirdische Festungsanlage, die einst als Zufluchtsort für tausende Soldaten diente, ist ein weiteres Relikt der römischen und mittelalterlichen Kriegsstrategien. Der Begriff „Kasematte“ leitet sich übrigens vom Lateinischen „casa matta“ ab, was so viel wie „gedecktes Haus“ bedeutet. Es war faszinierend, in diesen Gängen zu wandeln und sich vorzustellen, wie die Verteidiger Luxemburgs hier einst Stellung hielten.

Die Petruss-Kasematten gehören zum UNESCO-Weltkulturerbe und sind ein Symbol der Stärke und der strategischen Bedeutung Luxemburgs in der europäischen Geschichte. Die lateinischen Einflüsse sind auch hier allgegenwärtig, nicht nur in den Begriffen, sondern auch in den architektonischen Traditionen, die weit in die Antike zurückreichen.

Am letzten Tag traten wir die Heimreise an. Doch wir erlebten ein kleines Abenteuer an der Grenze zu Deutschland, als wir von den Zöllnern gestoppt wurden. Unser Busfahrer ließ sich nicht beirren und rief nur lässig „Alles Deutsche!“. Das genügte und wir durften passieren.

Am Ende dieser Reise bleibt vor allem eines in Erinnerung: Luxemburg ist nicht nur eine Stadt der Reichen und Schönen, sondern auch ein kulturelles Mosaik, das Jahrtausende überdauert hat. Die Sprachen Luxemburgs – Luxemburgisch, Deutsch und Französisch – erzählen die Geschichte Europas auf eine faszinierende Weise. Alle drei Sprachen sind tief mit dem Lateinischen verwurzelt, das sich wie ein unsichtbares Band durch die europäische Geschichte zieht.

Luxemburgisch, als Sprache des Alltags, trägt noch immer lateinische Spuren in sich. Viele Begriffe im Luxemburgischen kommen ursprünglich aus dem Lateinischen oder wurden durch das Französische beeinflusst, welches selbst stark von der Sprache der Römer geprägt wurde. Französisch ist die Amtssprache der Verwaltung und des Rechts und auch im Deutschen lassen sich lateinische Einflüsse nicht leugnen. Es war faszinierend zu sehen, wie diese Sprachen miteinander verschmelzen und Luxemburg zu einem Herz der europäischen Kultur machen.

Wenn ich eines gelernt habe, dann, dass Sprachen nicht nur eine Möglichkeit sind, sich zu verständigen, sondern auch Identität und Kultur zu verkörpern. In Luxemburg laufen diese Identitäten zusammen wie die alten Mauern der Festung mit den modernen Hochhäusern.

Würde ich Luxemburg wieder besuchen? Auf jeden Fall. Aber nächstes Mal nehme ich definitiv mehr als 120 Euro mit! Denn eines ist sicher: Luxemburg ist so reich wie seine Geschichte, seine Sprachen und jeden Cent wert.

Emil Kohl, A25/3